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Portrait

Gespräch mit Helga und Hans-Walter Struve

Wo Christus gepredigt  wird, sind wir Zuhause

Eine andere Gemeinde besuchen? Vielleicht eine Freikirche? „Auf keinen Fall. Ich gehöre zur Landeskirche.“ Hans Walter Struve hebt bei der Antwort den Zeigefinger, um die Worte zu unterstreichen. Auch der Ton lässt keinen Zweifel an seiner Aussage aufkommen. „Ich bin kein Freikirchler und auch kein Pietist im klassischen Sinne, sondern lutherisch geprägt. Da für mich aber die Erwählungslehre zum festen Grund meiner Heilsgewißheit geworden ist, ertappe ich mich dabei, ein heimlicher Reformierter zu sein. Gäbe es in der Nähe eine reformierte Kirche, könnte ich in Versuchung kommen, zu konvertieren!“

Bevor seine Frau Helga diese Frage beantwortet, wiegt sie den Kopf zur Seite. Dann sagt sie: „Wenn in der Gemeinde Jesus gepredigt wird, könnte ich mir das schon vorstellen.“

 

Es ist nur ein Gedankenspiel, schließlich ist die Gemeinschaft in der evangelischen Landeskirche in Schleswig schon über dreißig Jahren die geistliche Heimat der beiden. Dennoch bohre ich nach. „Warum bist Du dann nicht gleich in der Landeskirche geblieben?“, will ich von Hans-Walter wissen. Diese Steilvorlage greift er mit Begeisterung auf.

 

Die Gemeinschaft sei von ihrem Ursprung her eine Laienbewegung. „Ich kann mich also als Laie voll einbringen.“ Das sei in der Landeskirche nicht so. Dabei komme gerade diese Möglichkeit, auch ohne Theologiestudium voll mitarbeiten zu können, dem Urchristentum sehr nahe. „Die ersten Christen seien Fischer gewesen, also auch Laien. „Ich denke, dass es sehr viel Nutzen für eine Gemeinde bringt, wenn jeder sich freudig mit seinen persönlichen Gaben einbringen kann und darf.“

Helga und Hans-Walter Struve im Gespräch mit Arno W. Böhnke.

 

Außerdem sei es in einer Landeskirche schwierig, miteinander über Christus zu sprechen. „Dort fehlt oft der lebendige Glaube“, sagt Hans-Walter. Aber er schränkt gleich ein: „Natürlich ist das nicht überall in der Landeskirche so. Es gibt auch gute, gläubige Pastoren, die einen Kreis engagierter Mitarbeiter um sich scharen.“

 

Ein großer Aktivposten der Gemeinschaft sei der persönliche Kontakt. „Allein schon das gemeinsame Kaffeetrinken nach dem Gottesdienst mit der Möglichkeit der Unterhaltung bedeutet mir sehr viel.“

 

Helga betont, dass es ihr sehr wichtig sei, auch im Glauben zu wachsen, dass auch andere Menschen ihr etwas mitgeben können. „Das Leitwort: 'Einer trage des anderen Last' wird in der Gemeinschaft praktisch umgesetzt, das haben wir schon oft erfahren.“

"Einer trage des anderen Last wird in der Gemeinschaft praktisch umgesetzt, das haben wir schon oft erfahren."

Helga Struve

Sie ist christlich erzogen durch ihre Mutter und ihre Großmutter. „Aber mein Vater war Atheist“, sagt sie. „Auch wenn ich schon etwas von Jesus und der Bibel gehört hatte, zu meinem persönlichen Glauben bin ich gekommen, durch eine Krankheit.“ In der Zeit habe sie sehr viel in der Bibel gelesen. „Ich dachte mir, fang doch mal an. Und dann war das so interessant, dass ich nicht mehr aufhören konnte.“ In dem Haus, in dem sie gewohnt hat, war noch eine ältere Dame, die die Gemeinschaft besucht hat. Helga und diese Frau hatten viel Kontakt miteinander. „Ich bin ständig zu ihr gegangen und habe immer wieder erstaunt gesagt: 'Ich wusste gar nicht, dass das in der Bibel steht.' Jedesmal, wenn sie mich dann zum Tee eingeladen hat, habe ich abgelehnt: 'Das geht jetzt nicht, ich muss unbedingt weiterlesen.'“

Doch das alleine war es noch nicht: „Dazu kamen persönliche Erfahrungen.“ In jenen Tagen lebte Helga in München, wohin es sie verschlagen hatte. Doch bleiben wollte sie im Süden nicht. „Eigentlich hat es mich immer in den Norden gezogen.“ Wurzeln dorthin hat sie: „Meine Großmutter stammt aus Nordfriesland.“ Bei einem Urlaub in Büsum lernte sie schließlich Hans-Walter kennen. „Tja“, sagt sie und lächelt: „Das war's dann.“

 

Hans-Walter ist ein schleswig-holsteinisches Urgestein, geboren und aufgewachsen in Wohlde. Sei Elternhaus war christlich geprägt. „Außerdem hatte ich noch eine sehr gläubige Oma“, sagt er. „Immer, wenn sie zu Besuch kam, hat sie mir aus der Kinderbibel vorgelesen und mir alles erklärt.“

"Mir geht es nur um Christus. Wo ich an Christus glauben kann und wo ich Geschwister im Glauben antreffe,

da fühle ich mich Zuhause."

Hans-Walter Struve

Am 14. Oktober 1983 haben Helga und Hans-Walter Struve geheiratet. Zunächst war es nicht ganz einfach, einen Konsens in der Frage zu finden, welche Gemeinde sie besuchen wollten. Hans-Walter, dessen Mutter Organistin war, zog es in die evangelische Kirche in Bergenhusen. „Sie hatte gar kein Auto, deshalb habe ich sie ohnehin immer gefahren“, berichtet er. „Aber auch die Gemeinschaft war mir vertraut, denn einmal in der Woche gab es eine Bibelstunde in der Schule in Wohlde. Ich war damals noch sehr klein und habe nicht daran teilgenommen, aber meine Mutter war immer dabei.“ Doch es war vor allem der Pastor in Bergenhusen, der ihn in seinen Bann gezogen hat. „Ein gläubiger Lutheraner, dessen Predigten mich sehr beeindruckt haben.“

Und Helga? „Sofort nach unserer Heirat habe ich gesagt, dass ich die 'Gemeinschaft' brauche.“ So führte sie ihr Weg zunächst zur Gemeinschaft nach Husum, anschließend nach Schleswig. Trotzdem blieb Hans Walter der Landeskirche treu. Der beste Beleg dafür: Zwölf Jahr war er im Kirchenvorstand tätig und wirkte zusammen mit Helga im Kirchenchor mit. Außerdem war Helga einige Jahre in der Kinderstube tätig, wo auch ihr die Möglichkeit gegeben wurde, die Kinder mit Jesus vertraut zu machen.

 

Bedingt durch das Ausscheiden von Hans-Walter aus dem Kirchenvorstand und dem Ausstieg aus dem Kirchenchor, wurden die Schwerpunkte des kirchlichen Lebens im Laufe der Zeit zugunsten der Gemeinschaft in Schleswig verschoben.

 

Also eine Liebe auf den zweiten Blick? Während Helga nickt, schüttelt Hans-Walter den Kopf. So könne man das nicht sagen. „Die Gemeinschaft und die evangelische Landeskirche bieten ihren Mitgliedern auf verschiedener Weise die Möglichkeit, den christlichen Glauben auszuleben. Mir geht es nur um Christus. Wo ich an Christus glauben kann und wo ich Geschwister im Glauben antreffe, da fühle ich mich zuhause.“

 

Außerdem: „Wir haben nie einen Gegensatz empfunden zwischen Gemeinschaft und Landeskirche. Schließlich hat Martin Luther Zusammenkünfte von Laien, um beispielsweise die Bibel gemeinsam auszulegen, zu singen oder zu beten in seiner Abhandlung über die Grundsätze der Gottesdienste ausdrücklich vorgesehen. Der Begründer des Pietismus, Philipp August Spener, verstand sich in erster Linie als Lutheraner und berief sich bei der Bildung von Gemeinschaftskreisen auf eben diese Aussagen Luthers.“

 

Helga wirkt im Chor der Gemeinschaft mit und hilft bei den Vorbereitungen für den Frauenfrühstück. Die Mitarbeit in der Kinderkirche gab sie nach fast 30 Jahren aus gesundheitlichen und privaten Gründen ab.

 

Hans-Walter moderiert gelegentlich den Gottesdienst, singt ebenfalls im Chor mit und ist Mitglied des Vorstandes. Solange es ihm Freude bereitet, will er diese Aufgaben weiter wahrnehmen. „Aber wenn ich das Gefühl hätte, dass ich mich  ohne innere Freude nur aus Pflichtbewusstsein in die Gemeinde eingebe, würde ich sie abgeben“, sagt er. Hoffen wir also, dass sich dieses Gefühl auch nach drei Jahrzehnten nicht bei ihm einstellen wird.                                                                                                                                                                                     Arno W. Böhnke

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